Im jetzt eröffneten „Olymp“ der zeitgenössischen Kunst, der „Documenta 13“ in Kassel, ist ein Werk zu sehen, welches dem Künstler Mark Lombardi vermutlich das Leben kostete. Es heißt „BCCI-ICIC & FAB“ und ist das Opus Magnum des Künstlers. Es zeigt unzählige und exakt gezeichnete Pfeilbögen, welche die komplexen Verbindungen zwischen der „Bank of Credit and Commerce“ (BCCI), der Politik und des Terrorismus aufzeigen. Es ist – wie viele seiner Werke – ein detailliert gezeichnetes Diagramm über die politischen und finanziellen Verflechtungen der Politik und des Kapitals mit der organisierten Kriminalität.

In jahrelangen und detektivisch genauen Nachforschungen sammelte Lombardi sein Wissen auf tausenden von Karteikarten. Als Informationsquelle dienten in erster Linie öffentlich zugängliche Zeitungsartikel. Aus den vielen Info-Puzzelteilen entwickelte Lombardi seine Diagramme der Verflechtungen und machte das Unsichtbare sichtbar. Weitere Themen seiner Netzwerk-Diagramme waren z.B. die Vatikan Bank, Opus Dei oder George W. Bush.
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Lombardis künstlerische Innovation bestand in der ästetischen Veranschaulichung komplexer Machtstrukturen und mafiöser Netzwerke. Es ist die Verknüpfung der Fakten zu einem komplexen Universum.

In dem in Kassel ausgestellten Diagramm „BCCI“ tauchen auch bekannte Namen wie George W. Bush. und Osama Bin Laden auf. Ein Journalist des Wall Street Journals, der über die Bush-bin-Laden-Connection recherchierte, soll geschlagene vierzig Minuten vor der Grafik Lombardis verbracht haben und immer wieder „Oh, mein Gott“ gemurmelt haben (Süddeutsche Zeitung vom 16.1.2004).

Es ist der Documenta-Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev zu verdanken, dass dieses aussergewöhnliche Werk nun in Kassel zu sehen ist. Denn es ist zugleich auch das Schicksalswerk des Künstlers. Im Jahr 2000 war es für eine wichtige Ausstellung im New Yorker Museum PS 1 vorgesehen. Nur eine Woche vor der Ausstellung wurde es durch eine „unerklärlich“ ausgelöste Sprinkleranlage zerstört. Lombardi arbeitete eine Woche lang Tag und Nacht, um es wiederherzustellen. Um so glücklicher war er über seinen großen Erfolg damit.

Wenige Tage nach der Ausstellungseröffnung war Mark Lombardi tot. Man fand ihn erhängt in seinem Atelier. Von Freunden gibt es Berichte darüber, dass eine teils ausgetrunkene Champagner-Flasche neben ihm hing. Ein makabres Symbol. Die Vermutung, dass dies kein Suizid, sondern eine „Hinrichtung“ war, ist mehr als naheliegend. Denn eine psychopathische Ursache kann nach den Aussagen seines Umfeldes ausgeschlossen werden.

Das Werk und das Schicksal dieses Künstlers ließ die Regisseurin Mareike Wegener nicht los. Sie drehte einen Dokumentarfilm mit dem Titel „Mark Lombardi – konspirative Kunst“, der jetzt in den Kinos angelaufenen ist. Er ist mehr als ein Künstlerprotrait. Es ist ein erschütternder Einblick in die kriminellen Abgründe von Geld und Politik.

Der Sender 3sat brachte in „Kulturzeit“ am 6.6.12 einen Bericht über den Dokumentarfilm: http://www.3sat.de/mediathek/?display=1&mode=play&obj=31306

„Die Arbeit ist sehr hellsichtig“ sagt darin die junge Regisseurin Mareike Wegener. „Und im Nachhinein kommt es so vor, als hätte er Dinge vorausgeahnt. Das hängt aber damit zusammen, dass er die Strukturen so entblößt hat zu einem Zeitpunkt, wo das die meisten Leute noch nicht gemacht haben“.

Die Botschaft des Künstlers wurde durch seinen mysteriöser Tod dramatisch verstärkt. Sie zerstört den Mythos von der Integrität der Politik und der mit ihr verbundenen Mainstream-Medien. Die kriminellen Abgründe unserer sogenannten Eliten werden sichtbar. Es ist Wendezeit.